Samstag, 13. April 2013

"Wie im Himmel" - Göttliches Gelächter mit einem weinenden Auge im nt Halle (Saale)


Der Dirigent Daniel Daréus ist Anfang vierzig, weltbekannt und verkörpert die Leidenschaft für diesen Beruf – bis er mitten in einem Konzert einen Schlaganfall erleidet und in der Folge halbseitig gelähmt bleibt. Nachdem er sich mit seiner Kindheit und Jugend auseinandersetzt, die von Verlusten, Entbehrungen und Schikanen geprägt waren, beschließt er, sich in sein Heimatdorf zurück zu ziehen, das er mit seiner Mutter verließ, um sein musikalisches Talent auszubauen. Er kehrt als Daniel Daréus heim, den dort keiner kennt, da sein Musikagent seinen Namen bereits in der Jugend geändert hatte, und er nun lediglich im Schatten seiner Fähigkeiten, nicht aber seiner Vergangenheit steht. Der örtliche Pfarrer, Stig Berggren, möchte das musikalische Können des Neuankömmlings nutzen, um den Kirchenchor zu strukturieren und ihnen ein Gefühl für die Musik des Herrn nahe zu bringen. Nach reiflicher Überlegung und einer Probe des Chores, die er miterlebt, entscheidet er sich, der nächste Kantor der Gemeinde zu werden und betritt damit völliges Neuland. Mithilfe verschiedenster Methoden versucht er den singenden Herren und Damen Harmonie und die Balance innerhalb der Gruppe nahe zu bringen, wobei er bereits an dieser Stelle auf erste Hindernisse stößt, da die verschiedenen Charaktere nur sehr wenig miteinander verbindet und es vielfach zu Streitereien untereinander kommt. Zudem stößt Daniel mit seinen zum Teil unorthodoxen Methoden innerhalb der restlichen Bevölkerung auf Widerstand, sodass sich vermehrt Konflikte ergeben, an deren Ende, seine Tätigkeit als Kantor infrage gestellt wird. Dennoch entschließen sich die musikalischen Laien nach einem gelungenen Konzert dazu, gemeinsam mit Daréus nach Wien zu einem großen Chorwettbewerb zu fahren…

Manch einer wird sich erinnern, dass 2005 unter diesem Titel ein schwedischer Film von Kay Pollak erschien, der vor allem Aufruhr durch seine Oscarnominierung machte. Das Neue Theater in Halle (Saale) hat sich letztes Jahr mit einer Adaption dieses Themas beschäftigt und konnte im Oktober mit der Premiere eben jenes Stückes aufwarten. Wunderbar inszeniert, mit Licht, Bühnenbild und vor allem Publikum gearbeitet, wird das Drama besonders von der Musik getragen, die in einem Schauspiel über einen Dirigenten elementar ist. Ein kunterbunter Haufen, der sich elegant wie musikalisch über die Bühne bewegt, zwischenzeitlich ins Publikum tritt und ein Chorleiter, der eben jenes wie sein Orchester behandelt und sich unmittelbar mit einer völlig neuen Situation konfrontiert sieht, die er zu händeln versucht.
Als Gegensatz zu den erheiternden Chorproben und den langen Diskussionen, treten nicht nur Daniels Konflikte, sondern auch die des Pfarrers und seiner Frau, deren Ehe leidenschaftslos erscheint, sowie zentral stehend das Problem von Gabriella, deren Mann sie schlägt und droht, die Kinder wegzunehmen. Selbst innerhalb des Ensembles treten Schwierigkeiten auf, die sich in der verqueren Ansicht Arnes bezogen auf seinen behinderten Neffen äußern, und dann natürlich die Misere des Dirigenten selber, als er seine Liebe zur jungen Lena erkennt, sich ihrer anfangs nicht wirklich gewahr wird.
All diese Konflikte, sowie zahlreiche kleinere weitere, bilden einen krassen Gegensatz zur aufgeweckten Musikgestaltung, sie machen das Stück seriös und verhindern, dass das Sujet ins Lächerliche gezogen wird. Zumal unter den Schauspielern Größen zu finden sind, für die es sich durchaus lohnt, einmal den Blick von Daniel ab zu wenden und ihn auf Siv, auf Tore oder auch Olga zu lenken, deren Bewegungen und Äußerungen aus dem Hintergrund eine Abrundung des Schauspiels darstellen.
Dieses Stück ist für jeden, der das Theater auch in einer etwas anderen Art genießt und der Musik verfallen ist, ein Blickfang oder, um an dieser Stelle einmal metaphorisch zu werden, „ein inneres Blumenpflücken“!