Dienstag, 17. Februar 2015

Neues aus der Rezensionenabteilung! Stephen Kings "Friedhof der Kuscheltiere"

Autor: Stephen King
Deutsche Ausgabe im Paperback
Umfang: 606 Seiten
Sprache: Deutsch (Englischsprachiges Original: „Pet Sematary“)
Format/ Preis:         Paperback (9,99€)  E-Book (8,99€)    DVD (9,99€)

Klappentext hinten:
„Manchmal ist der Tod besser – Hinter dem kleinen Tierfriedhof liegt eine verwünschte indianische Grabstätte. Ob Katze oder Mensch: Wer hier beerdigt wird, wandelt sich zum Albtraum für die Hinterbliebenen.“

Buchbeschreibung innen:
„Als die junge Familie Creed ihr neues Zuhause erblickt, sind die Strapazen des Umzugs von Chicago nach Ludlow, Maine, vergessen. Das weiße Haus ist von einem großen Garten umgeben, hinter dem sich unendlich weite Wälder erstrecken – Gebiet der Micmac-Indianer. Nur die Schnellstraße direkt vor dem Gartentor stört die Idylle. Dem Kater der Creeds wird sie bald zum Verhängnis: Church wird von einem Tanklaster überfahren. Louis Creed begräbt den Kater auf einem Tierfriedhof im Wald, ohne seiner Tochter Ellie vom Tod des geliebten Tieres zu erzählen. Und tatsächlich scheint zu stimmen, was man sich Unheimliches von dem alten Friedhof erzählt, denn schon bald kehrt Church zurück – etwas aggressiver, doch offensichtlich sehr lebendig. Louis weiß genau, dass er den toten Kater in einem Müllsack beerdigt hat. Über welche Kräfte verfügt der alte Friedhof? Und wird eine derartig wunderbare Erweckung auch bei einem Menschen möglich sein?“

Die Handlung:
Aufgrund seiner neuen Anstellung in der Krankenstation an der Universität zieht Louis Creed mit seiner Ehefrau Rachel sowie den gemeinsamen Kindern Ellie und Gage ins beschauliche Ludlow, Maine. Nach der anstrengenden Umzugsreise von Chicago hierher, kommen sie endlich in dem großen weißen Haus am Rande der Wälder an, das sie nun ihr Zuhause nennen wollen. Die ruhige Idylle wird lediglich durch die Schnellstraße, Route 15, getrübt, die direkt vor dem Haus verläuft und eine Gefahr für Mensch und Tier birgt.
Einmal angekommen wird die Familie sogleich von dem freundlichen Nachbarn Jud Crandall in Empfang genommen und kurzerhand zum sogenannten Haustierfriedhof geführt. Dieser Ort wurde von den Kindern der Stadt angelegt, da der Schnellstraße vor allem die geliebten Haustiere zum Opfer fallen, so liegen dort Smucky oder Spot begraben, spiralenförmig angeordnet, mit individuell angefertigten „Grabsteinen“ versehen. Als Louis auf eine Anhäufung von Totholz im seitlichen Teil des Areals aufmerksam wird, erhält er von Jud eine erste Warnung, die er etwas verwirrt hinnimmt.  Die Creeds versuchen sich nach diesem ersten anstrengenden Tag in Ludlow einzuleben, Ellie führt mit noch als Folge des Ausfluges ein verzweifeltes Gespräch mit Louis, in dem sich ihre Sorge um den mitgereisten Kater Winston Churchel kundtut. Ihr Vater hingegen hat ganz andere Sorgen, denn bereits an seinem ersten Arbeitstag wird der tödlich verwundete Victor Pascow eingeliefert, der von einem betrunkenen Autofahrer getroffen und gegen einen Baum geschleudert wird. Eben jener junge Mann erscheint Louis in der Nacht nach dem Unfall und warnt ihn davor, über das Totholz zu gehen, da dort Gefahr lauere. Louis erholt sich nur schwer von diesem traumatischen Ereignis, kann es schließlich jedoch weitestgehend verdrängen und widmet sich wieder dem Familienleben. Nach und nach erwächst zwischen ihm und Jud Crandall eine innige Freundschaft, Elli kommt in die Vorschule, Gage entwickelt sich weiter und erweitert seinen Wortschatz.
Zu Halloween tritt allerdings erneut der nahende Tod in Louis‘ Leben als er der schwer an Arthritis erkrankten Ehefrau Juds das Leben retten muss, da sie eine Herzattacke erleidet. Ein zweites Mal begegnet er dem Tod, als seine Familie zu Thanksgiving nach Chicago zu Rachels Eltern gereist ist, während er mit den Crandalls feiert, am Abend jedoch findet Jud den Familienkater Church tot auf seinem Grundstück, offensichtlich ein Opfer der Route 15. Louis, der sich noch gut an die aufgelöste Ellie erinnern kann, ist völlig verzweifelt, doch Jud nimmt ihn kurzerhand mit auf den Haustierfriedhof, aber Church wird nicht neben Smucky begraben, der gutherzige Nachbar führt ihn samt dem Kadaver über das Totholz hinweg zum Bestattungsplatz der Micmac.  Wohl ist dem jungen Arzt bei diesem Gedanken nicht, dennoch bestattet er den Kater mit bloßen Händen in scharfkantigen Geröll und harter Erde.
Kaum einen Tag später ist Church wieder quietschfidel – der Friedhof der Micmac hat seine wundersame Wirkung entfaltet und den Kater in die Welt der Lebenden zurückgelassen. Doch Church hat sich verändert: Plötzlich schnurrt er nicht mehr, sein Fell stinkt furchtbar nach Erde und er taxiert Louis immerzu. Dieser wird von einem Schrecken nach dem anderen geplagt, sagt sich jedoch, dass er es für Elli getan hat – auch wenn er sich Churchs zweiten und endgültigen Tod des Öfteren wünscht.
Dvd-Cover zum Film
Als die restliche Familie zurückgekehrt ist, stellt auch Elli bald fest, dass sich ihr geliebter Schmusekater verändert hat, sie verbietet ihm schließlich auch den Zugang zu ihrem Zimmer, was den geplagten Louis veranlasst, Church jede Nacht aus dem Haus zu verbannen.
Die Creeds verbringen jedoch und dem verstörenden Kater zum Trotz eine schöne Zeit in Maine – bis es eines Tages zu dem verheerenden Unfall kommt. Gage läuft in seinem kindlichen Leichtsinn in die Richtung der gefährlichen Straße, als Louis es bemerkt und versucht ihn auf der abschüssigen Strecke einzuholen, ist es jedoch schon fast zu spät. Auch sein Sohn versteht zu spät, dass er anhalten muss und kann nicht mehr bremsen, Louis ist nur minimal hinter ihm, als der Laster den Jungen mit voller Geschwindigkeit mit sich reißt und nach mehreren Hundertmetern erst zum Stehen kommt.

Erschüttert muss Louis erkennen, dass er für seinen eigenen Sohn nichts mehr tun kann, er wurde von dem Laster, der viel zu schnell auf der Route 15 unterwegs war, aus dem Leben gerissen. Rachel, Ellie und Louis stehen vor einem Scherbenhaufen, die Familie ist zerrissen: Rachel ist völlig am Ende und versucht, den Schmerz zu verarbeiten; Elli realisiert das Geschehen noch nicht, denn sie plant ihr Brüderchen zu jeder Mahlzeit mit ein und trägt ständig ein Photo von ihm mit sich; und Louis trifft nach langwierigen Abwägen eine Entscheidung – Gage muss auf den Friedhof der Micmacs, er muss wieder leben, allen Warnungen Juds zum Trotz.
Doch was dort aus dem kleinen Jungen wird, hätte sich Louis nicht zu träumen gewagt…


Meine Meinung:
Der „Friedhof der Kuscheltiere“ war tatsächlich mein zweites Buch, das ich von Stephen King gelesen habe, direkt nach „Carrie“. An sich war es vielleicht keine schlechte Wahl, nicht gleich die sehr bekannten Sachen wie „Shining“ oder „The Green Mile“ von ihm zu lesen, man muss sich schließlich auch erst an einen Autor gewöhnen, um vielleicht auch alle Werke zu verstehen. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe das Buch genossen, auch „Carrie“ habe ich in mich aufgesogen, aber eben nicht in dem Umfang wie dieses. Stephen King hat einen relativ eigenen Schreibstil, der zum einen enorme Spannung erzeugen kann, zum anderen aber auch viel Gefühl zulässt. Außerdem erzählt er viele Dinge, die eigentlich im Hintergrund geschehen, wodurch er die Szenerie erweitert und dem Leser einen weiteren Blick auf das Umfeld der handelnden Personen gibt – das mag nicht unbedingt jeder, aber auch nicht jeder kann zwei- bis dreiseitige Beschreibungen lesen und sie schön finden, dennoch gibt es noch heute viele Thomas-Mann-Liebhaber. Entweder liebt oder hasst man Thomas Mann, genauso wie man Stephen King entweder liebt oder hasst, ich glaube, dass ein „Zwischending“ in diesem Fall tatsächlich schwieriger ist. Übrigens einmal in den Stil verliebt, könnte man auch ein Buch nach dem anderen von ihm verschlingen, ich habe selber schon einige von ihm in der „Warteschleife“ stehen. Und da Stephen King das Schreiben lebt, erwarten uns jährlich mehrere neue Bände seines schier grenzenlosen verrückten Verstandes.
Zur Geschichte: Es ist natürlich eine Geschichte, die uns etwas lehren will. Man kann den Tod, so schmerzhaft er für uns auch sein mag, nicht aufhalten, und was oder wer erst einmal tot ist, das oder der sollte ruhen gelassen werden. Das fällt uns Menschen aber ziemlich schwer, deshalb nehmen wir jede mögliche „Lösung“ an, die uns hilft, unsere Liebsten wieder zu uns zurückzuholen. Natürlich ist es tragisch, wenn der zweijährige Sohn überfahren wird, weil ein Laster mit viel zu hoher Geschwindigkeit durch eine Wohnsiedlung fährt, aber wir können die Gesetzmäßigkeiten der Natur nicht nach Gutdünken außer Kraft setzen.
Gage nach seiner "Wiederauferstehung", Film

Ich mochte die Art und Weise wie King die Figuren präsentiert hat, wir bewegen uns eigentlich hauptsächlich um Louis Creed und seinen Alltag. Der Leser erfährt jede Menge Details aus SEINEM Denken und Handeln, während uns das der anderen stellenweise entgeht. Dadurch wird die Geschichte natürlich subjektiv überprägt, denn hätte man zusätzlich Juds oder Rachels Gedankenwelt könnte man die Ereignisse erneut betrachten und vielleicht einen objektiveren Blick auf das Endgeschehen erwirken. Aber genau das macht die Handlung authentisch und realistisch, denn in dem Moment, in dem uns jemand eine Geschichte erzählt, gibt er sie mit seinen ganz eigenen, subjektiven Worten wieder. Es passiert uns selten, dass eigentlich drei oder vier oder fünf Personen quasi gleichzeitig beziehungsweise gemeinsam ein- und denselben Umstand nahelegen, sodass wir uns unsere eigene Meinung bilden können.
Louis‘ generelle Verwirrtheit, gerade nach den Geschehnissen um Victor Pascow, sowie seine scheinbare Paranoia, nachdem Church wieder auftaucht und er den Kater ständig in seinem Rücken vermutet, machen ihn menschlich. Er legt eine natürlich Skepsis an den Tag, vor allem wenn es um Geschichten wie die der Micmac und dem zugehörigen Friedhof geht. Nicht immer möchte er Jud Crandall Glauben schenken, auch wenn er ihn schon nach kurzer Zeit ins Herz geschlossen hat und als väterlichen Freund ansieht. Was ich an Louis eigentlich am angenehmsten fand, waren seine Versuche, alle Gegebenheiten und Geschehnisse logisch zu erklären und zu durchleuchten. Er möchte alles rational sehen, was ihm einfach nicht gelingt, denn er fällt immer wieder in die Geschichten von Jud zurück. Sie lassen ihn nicht los und zehren immer weiter an ihm. Der Mensch kann nicht immer alles rational sehen, das geht vielleicht solange er noch nicht selber betroffen ist, doch Louis ist bald mitten in diesen Geschichten und kann sich ihrer nicht mehr erwehren, deshalb kommt es wie es kommen muss – er verfällt zusehends in Irrationalität.  Ich finde es gut, dass es endet wie es endet (und ich möchte mehr als verdammt ungern an dieser Stelle spoilern!), und ich bin nicht der Meinung, dass Louis verrückt geworden ist. Er möchte schützen, was ihm geblieben ist und retten, was er eben noch retten kann. Dementsprechend kann ich nur sagen, dass die Figur des Louis, so ungehalten und irrational oder gar verrückt sie am Ende auch wirkt, rundherum gelungen und in sich logisch ist.
Sicherlich könnte ich mich jetzt mit jedem Mitglied der Creed-Familie und jedem einzeln auftretenden Charakter auseinander setzen, doch das würde aufgrund der schieren Menge und der schieren Charaktertiefe einfach den Rahmen sprengen, lediglich auf Jud möchte ich gleich noch eingehen. Es sei nur so viel gesagt, der „Friedhof der Kuscheltiere“ ist eines der wenigen Bücher, die ich bisher gelesen habe, in denen ich wirklich keine Figur gefunden habe, die mir übel aufgestoßen ist. Das ist interessant, denn eigentlich ist Rachels Vater ein Mistkerl, der Louis ständig zusetzt, aber ich finde, er hat eine so tragende Rolle, ohne ihn wäre die Geschichte vielleicht anders ausgegangen, vielleicht hätte Louis sich abgefunden und seinen Sohn nicht auf dem Friedhof der Micmacs beerdigt. Deshalb habe ich gegen ihn auch keinerlei Abneigungen, auch wenn man sich manchmal gewünscht hätte, dass Louis ihm ordentlich eine verpasst.
Eigentlich ist Jud Crandall der traurige und einsame Held der ganzen Geschichte, denn ohne ihn, seine Geschichten und vor allem sein bekräftigendes Mitwirken als es um Churchs Bestattung ging, wäre das Leben der Creeds nie aus dem Ruder gelaufen. Der Kater wäre tot gewesen, für Ellie ein Schock, aber so etwas überlebt man auch als Kind, und vielleicht wäre Gage ebenfalls gestorben, doch zurückgekommen wäre keiner von beiden. Die Familie hätte zwei schwere Schicksalsschläge erlitten, die sie aber über kurz oder lang verkraftet hätten. Jud hingegen hat dies vereitelt, womit ich nicht sagen möchte, dass er explizit daran schuld ist, dass es eben so gekommen ist, aber er hat einen anleitenden Teil beigetragen. Ich muss gestehen, ich habe einen Narren an ihm gefressen, er ist ein wunderbarer Mann – im Alter noch so fidel, dass er den neuen Nachbarn hilft, seiner kranken Frau sehr entgegen kommt und noch Liebe für sie aufbringt. Und eben ein Mann, der Geschichten erzählt, es macht ihn einfach sympathisch, und das obwohl der Leser genau wie Louis an ihm zweifelt und manchmal das Gefühl hat, dass er nicht ganz koscher ist.

Alles in allem kann ich den „Friedhof der Kuscheltiere“ eigentlich jedem empfehlen, der auf Gänsehautfeeling steht und sich vielleicht auch erst an Stephen King herantasten möchte. Es ist ein sehr atmosphärischer Thriller, der uns alle etwas lehren möchte und vor allem auch kann.

Ich hoffe, ich habe nicht zu viel vorweg genommen, ansonsten viel Spaß beim Schmökern ;) 

Abbildungen:
1) http://www.randomhouse.de/content/edition/covervoila/351_43579_121620_xl.jpg 
2) http://www.moviepilot.de/files/images/0000/8712/8712.jpg
3) http://www.moviepilot.de/files/images/article/file/10024475/friedhof_paramount_article.jpg

Ps. Es hat ja wirklich lange gedauert, bis hier wieder einmal was passiert. Aber das pendelt sich jetzt so langsam aber sicher ein. Ich habe bereits zwei neue Rezensionen auf dem Plan, zum einen zu dem Film "The Imitation Game" und zum anderen zu einem Buch von John Green!