Ich bin Studentin und das seit zwei Jahren. In der
Heimatstadt geblieben, werde ich trotzdem mit der Farbgewalt der deutschen
Sprache attackiert – hier ein bisschen Schwäbisch, dort einen Hauch Fränkisch, minimal auch Platt, die
Höchstformen der Berliner und hiesiges Sächsisch. Alles prallt hier
aufeinander, ich lerne ständig neue Wörter und gebe meine weiter. Es ergibt
sich ein Wirrwarr aus allem, was das Land zu bieten hat. Und das ist gut so.
Doch manchmal wünsche ich mir die Zeiten zurück, in denen ich keinen vor den
Kopf stoße, indem ich sage „Wegen verlangt den Genitiv und nicht den Dativ!“.
Bis vor kurzem habe ich immer gedacht, mein Deutsch sei gut und nett, nicht
hundertprozentig geschliffen und auch nicht immer ganz sauber – mal ein „t“ bei
„nicht“ vergessen oder das „g“ zum „j“ geworden. Doch letztens hat mir ein
Kommilitone tatsächlich an den Kopf geworfen, ich spräche das schlechteste
Deutsch im ganzen Land, weil ich eben von hier komme.
Als Mensch mit Prinzipien, der Kritik eigentlich
gern entgegensieht, hätte ich nicht viel darauf gegeben. Nun. Als
überanstrengte Studentin, die zu wenig geschlafen, zu viel gelernt, zu viele
Referate und Prüfungen hatte, empfand ich es schlichtweg als bodenlose
Frechheit. Betrachte ich das jetzt erneut, muss ich sagen, es ist und bleibt
eine der haltlosesten Aussagen, die ich je gehört habe. Das liegt schlichtweg
an ihrem Klichée-Charakter, genauso gut ist jeder Holländer Junky, jeder
Amerikaner Cowboy und jeder Deutsche Bayer. Gut, ich muss zugeben, ich verstehe
kein Bayrisch oder Schwäbisch, mag es nicht einmal, aber die letzten beiden
Jahre haben mich viel toleranter werden lassen, habe sogar Schwaben, Bayern und Franken in meinem engsten Freundeskreis. Jeder benötigt einen Ort, an dem er
sich wohlfühlt und das kann sich auch über die Sprache definieren, habt ihr
schon einmal beobachtet wie Menschen aufblühen, wenn sie jemanden treffen, der
aus der gleichen Ecke des Landes kommt? Oder wenn Schwaben oder Sachsen oder
Hessen nervös werden? Klar, sie verfallen in ihren Dialekt, weil das etwas ist,
das Halt geben kann. Zumindest ein klein wenig…wenn man mit etwas Derartigem
aufgewachsen ist und nicht wie ich mit zugezogenen Eltern eine Mischung aus
Schlesischem Deutsch, Sächsisch und einem ganz eigenartigen
Sachsen-Anhaltinisch spricht. Da hat man nur das Hochdeutsche als
Heimatsprache, denn alles andere möchte keiner hören.
Trotz dieser Tatsache bleibt jedoch die Problematik,
dass immer weniger Menschen in Deutschland ordentlich lesen und schreiben
können, von der Grammatik einmal abgesehen, beginnt es schon mit einfachen
Rechtschreibübungen. Das liegt nicht zuletzt an unserem zerhackstückelten
Ich-möchte-nicht-vereinheitlicht-werden-Bildungssystem, ich weiß, es ist ein
leidiges Thema, aber sollte sich nicht schleunigst etwas ändern, und zwar
grundlegend und DAUERHAFT (d.h. dass wir nicht alle vier Jahre eine neue
Bildungspolitik bauen, weil das unser einfachstes Thema im Wahlkampf ist) wandeln,
sehe ich persönlich schwarz für unsere Sprache. Dialekte sind kein Problem der
Sprache, das hat jeder Staat; jedes Bundesland/ jeder Bezirk/ jeder Kanton usw.
hat eine eigene Sprachfärbung. Aber eine Rechtschreibung und ein Grammatik, das haben wir alle
gemeinsam und die sollte uns auch erhalten bleiben. Ich bin damals ehrlich
gesagt sehr überrascht gewesen, als ich lesen durfte, dass Kinder das Schreiben
über ihr Hören lernen. Es werden keine einfachen Sätze mit kleinen Bildchen
mehr gebildet wie „Mama ist im Haus.“ oder „Oma mag Mimi.“ Das Lernen erfolgt
über die eigene Wahrnehmung, klingt zunächst einmal ganz gut. Aber was bitteschön
ist denn ein „Vata“? Ja, klar – das „r“ im Wort „Vater“ verschluckt man ab und
an, deshalb schreiben Siebenjährige es auch nicht mit. Nur, was passiert, wenn
sie in zehn Jahren immer noch Postkarten von Malediven an ihre „währten Härn
Vata“ schreiben?
Aus diesem Grund habe ich beschlossen, meine eigene
Kampagne der deutschen Sprache zu starten – ich lese und rezensiere (nicht
zuletzt, um hier ein wenig Stimmung rein zu bringen). Zunächst werde ich Bücher
aus meinem eigenen Bestand nehmen und hier einstellen, das kann eine geraume
Zeit beanspruchen, aber ich bin auch gewillt, Wunschbücher von anderen zu lesen
und zu rezensieren, wenngleich ich mir je nach Lust und Laune auch das Recht
herausnehme, Bücher abzulehnen, weil sie meinem Lesegeschmack nicht entsprechen
und ich ehrlich gesagt auch nicht von Anfang an mit einem negativen Bild an die
Sache treten möchte. Es werden auch nicht nur deutsche Werke hier ihren Platz
finden, nur um es direkt vorweg zu sagen, auch englische oder französische
Bücher können hier hoffentlich bald begutachtet werden.
Ich möchte die deutsche Sprache hochleben lassen,
die Sprache der Dichter und Denker, die oftmals so hart klingt und dennoch viel
ausdrücken kann. Denkt nur mal an all die Wörter der Bewegung: „Laufen, gehen,
hüpfen, springen, tänzeln, schleichen, schlurfen, rennen, hasten, rasen,
wackeln….“ Das hat nicht den Hintergrund eines unnötigen Patriotismus', denn für Derartiges bin ich nicht veranlagt, aber es ist schließlich unsere
Muttersprache und die können letztlich nur wir selbst uns nehmen oder nehmen
lassen, indem wir sie verkommen oder uns austreiben lassen.
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